«Gebäude als Gesamtsystem anschauen »

Die Energiekrise und die dadurch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise beeinflussen derzeit massgeblich die Bau- und Immobilienbranche. Die Verantwortlichen stehen vor enormen Herausforderungen – und dem Facility-Management kommt eine immer wichtigere Bedeutung zu.

Alternative Versorgungskonzepte, vielfältigere Lieferbeziehungen und Massnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs sowie die Einhaltung der ESG-Kriterien gemäss den Vorgaben der EU-Taxonomie: Dies alles treibt die Immobilienbranche derzeit um. Das ist nicht verwunderlich, denn Gebäude weisen – je nach ihrem Alter und Ausbauzustand – einen grossen ökologischen Fussabdruck auf.

Entsprechend gefordert ist das Facility-Management. Denn für die Umsetzung der Klimaziele nimmt es eine Schlüsselrolle ein und wandelt sich immer stärker vom Verwalter zum Treiber von Veränderungen. Darüber sprach der Organisator zusammen mit Marc Amstutz, Head Sustainability bei ISS Schweiz.

Herr Amstutz, wie verändert das Thema Nachhaltigkeit aktuell das Facility-Management? Und wo besonders stark?

Generell wird überall ein klareres Engagement für mehr Nachhaltigkeit gefordert. Das betrifft alle FM-Dienstleister. Kunden wollen von uns einen Beitrag zur Erreichung der Umweltziele sehen, wie auch zur Erfüllung der Anforderungen an das ESG-Reporting. Nachhaltigkeit muss man zudem aus zweierlei Perspektiven anschauen, einerseits ökonomisch. Da besteht einmal ein immer höherer Kostendruck. Man will Leerstände vermeiden, die sich aus den veränderten Arbeitsformen – z.B. Homeoffice – ergeben. Ebenfalls im Zunehmen begriffen ist der Anspruch der Immobilienbesitzer, ihre Gebäude mit Labels auszustatten. Andererseits ist da der ökologische Fokus auf das Ziel eines klimaneutralen Gebäudeparks.

In diesem Kontext steigen die Anforderungen an das Reporting. Hier können wir unsere Kunden unterstützen, etwa beim Erfassen und der Qualitätssicherung von Energiedaten oder bei der Umsetzung von Massnahmen für höhere Energieeffizienz. Im besten Fall ergibt sich daraus eine ökologisch ökonomische Win-win-Situation. Das ist aber leider nicht überall gegeben. Für Gebäude mit Aussenflächen sind zunehmend auch Massnahmen zur Förderung der Biodiversität relevant. Diese haben einen ökologischen und wirtschaftlichen Wert, z. B. weil sie uns resilienter machen im Umgang mit dem Klimawandel. Aber sie verursachen erst einmal Kosten.

ISS führt auch energetische Betriebsoptimierungen durch - ein bedeutender Schritt zu klimafreundlicheren Gebäuden.

Was müsste denn genau erfüllt sein, dass eine solche Win-win-Situation entsteht?

Eine solche Situation lässt sich vor allem dann erreichen, wenn es um die Steigerung von Energieeffizienz geht, etwa durch Einsatz von erneuerbarer Energie, Gebäudeautomation oder generell die energetische Optimierung von Anlagen innerhalb eines Gebäudes. Das sind kurzfristig mögliche Massnahmen. Längerfristig stehen komplette Sanierungsvorhaben im Raum, die zu einem klimaneutralen Gebäudepark beitragen können. Dazu gehört z.B. Umrüstungen von Maschinen oder der Ersatz von Heizungen; dies rechnet sich in der Regel erst nach einiger Zeit.

Aber eben: Die Uhr tickt, die Klimaziele wollen zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht sein. Das bedeutet, dass man mit nachhaltigeren Gebäuden vorwärts machen muss. Welchen Einfluss hat dies auf Ihr Geschäft?

Wir sehen, dass es viele kurzfristige und schnell umsetzbare Massnahmen gibt, Energieinspektionen, energetische Betriebsoptimierungen oder Energiecontrolling. Man erfasst einmal die Zahlen und kann rasch feststellen, wo man steht und ob die Anlagen richtig eingestellt sind. Oder auch durch die Umstellung auf umweltfreundliche Reinigungsmittel lässt sich viel bewirken. Bei anderen Themen dauert es etwas länger. Da muss man ein Gebäude erst sauber analysieren und beurteilen, welches Sanierungsvorhaben – Heizungsersatz oder Erneuerung der Gebäudehülle – sich am besten eignet.

Und was tut ISS selbst, auch hinsichtlich der Erfüllung von ESG-Kriterien?

ISS-intern liegt der Fokus auf den drei Themenblöcken Klima und Energie, Materialien und Abfall sowie Flächen und Anlagen. In allen diesen drei Bereichen versuchen wir uns zu optimieren und haben auch Netto-Null-Ziele bis 2030 (Scope 1 und 2) resp. 2040 (Scope 3) gesetzt – bezogen auf die ganze Unternehmensgruppe und ISS Schweiz. Zudem haben wir kurzfristige Klimaziele gesetzt, die von der Science based Targets Initiative (SBTi) anerkannt sind.

«Unsere Facility Management Services leisten einen wichtigen Beitrag an die Umwelt- und Klimaziele unserer Kunden.»

Klar ist, dass wir uns nun bei allen unseren Dienstleistungen wie auch unseren Gebäuden besser aufstellen müssen, um den CO₂-Fussabdruck zu verringern. So reduzieren wir etwa unsere Flotte, indem wir Fahrten bündeln, und wir erhöhen den Anteil an elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Auch bieten wir ÖV-Abos oder kombinierte Mobilität an. Ferner versuchen wir, zunehmend Geräte und Materialien einzusetzen, die mit weniger CO₂-Emissionen hergestellt worden sind. Firmenintern verfügen wir zudem in einigen Regionen über einen Gerätepool. Wenn an einem Ort eine bestimmte Reinigungsmaschine benötigt wird, kann man auf diesen Pool zugreifen.

Mit diesem Sharing-Modell reduzieren wir unseren Gerätepark. Zudem haben wir ein umfangreiches Programm für die Reduktion von Treibhausgasen entlang der gesamten Lieferkette. Wir erörtern also mit unseren wichtigsten Lieferanten Möglichkeiten, um klimafreundlichere Produkte zu erhalten, die sowohl wir intern als auch unsere Kunden einsetzen.

Das bedeutet, Sie können auch bei Ihren Kunden einen Impact auslösen. Kosten diese umweltfreundlicheren Lösungen auch mehr?

Ja, das kann durchaus sein. Jedoch erhalten unsere Kunden dafür auch einen ökologischen Mehrwert dank unserer Services. Indem wir unsere eigenen CO₂-Emissionen reduzieren, tragen wir automatisch zur Erreichung der Klimaziele unserer Kunden bei. Weil: Unsere Dienstleistungen, die wir für unsere Kunden erbringen, sind ein Teil des Klima-Fussabdrucks unserer Kunden (Scope 3).

Zusätzlich leisten wir mit unseren Dienstleistungen auch einen Beitrag für bessere Gebäuderatings, z.B. GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark). Dieses Rating ist für Besitzer von Immobilien-Portfolios zentral. Immer wichtiger ist dabei die Bereitstellung von Daten. Wir arbeiten daran, Daten, die wir aus den von uns betreuten Gebäuden erheben, den Kunden zur Verfügung zu stellen, damit sie diese für ihre Reportings nutzen können.

Gerade die Bau- und Immobilienbranche steht bei der Nachhaltigkeitsdiskussion unter starker Beobachtung. Viele Gebäude haben Sanierungsbedarf oder müssten sogar neu gebaut werden. Wenn es um solche Diskussionen – sanieren oder neu bauen – geht: Wie ist da jeweils die Haltung eines FM-Dienstleisters?

Für uns ist ein Gebäude dann nachhaltig, wenn es einen möglichst geringen ökologischen Fussabdruck aufweist oder gar einen positiven Beitrag an die Umwelt leistet, wie dies z.B. Energie-Plus-Häuser machen oder Bauten mit umgebenden Grünflächen, die die Biodiversität fördern. Idealerweise werden bereits beim Bau nachhaltige Materialien verwendet. Ein altes Gebäude zu sanieren ist häufig sinnvoller als es abzureissen. Man muss ein Gebäude als Gesamtsystem anschauen und schauen, wie man es möglichst effizient betreibt.

Das bedeutet, Materialien bzw. Stoffe, die in dieses System gelangen, sollten aus nachhaltigen Quellen stammen und den Weg zu einem energie-positiven Gebäude unterstützen. Sanierungen und Betriebsoptimierungen sind äusserst effektive Lösungsbausteine. Wir sind sehr aktiv in diesem Bereich und bieten umfassende Gebäudeanalysen an. Wir verfügen über Programme, mit denen wir in Zusammenarbeit mit dem Bauprojektmanagement konkrete Sanierungsprojekte umsetzen. Wenn man solche Projekte richtig angeht, kann man mit Sanierungen sehr viel herausholen.

Dieses «richtige Angehen» scheint aber nicht immer und überall der Fall zu sein. Oft erinnert das Vorgehen an «Pflästerli-Politik»: Man erneuert gerade das, was am dringendsten ist.

Das mag ein subjektiver Eindruck sein. Mit unseren Grosskunden erleben wir, dass man einerseits auf Heizquellen aus erneuerbaren Energien umsteigen will, andererseits aber auch gleichzeitig Sanierungen der Gebäudehülle in Angriff nimmt. Das ist ein Vorgehen, das wir selbst auch immer empfehlen. Aber letztlich handelt es sich immer um Investitionsentscheide. Und auch das Lifecycle-Management spielt eine Rolle, das von den Eigentümern jeweils ganz unterschiedlich angegangen wird.

Jeder Kunde von uns hat seinen eigenen Klimaschutz-Fahrplan. Unsere Rolle als FM-Dienstleister besteht darin, ihn bei der Bewältigung dieses Fahrplans mittels unserer vielfältigen Services im Umweltbereich zu unterstützen.

Für Grosskunden scheint dies eine Selbstverständlichkeit zu sein. Nun gibt es aber viele kleine Immobilienbesitzer, auch KMU, die oft gar kein «ausgewachsenes» Facility-Management verfügen. Wo müssen diese Organisationen ansetzen?

Ein erster Schritt ist sicher eine Gebäudeanalyse und die Betrachtung des Gebäudes als ein Gesamtsystem mit Input und Output. Danach lassen sich die «Low hanging fruits» besser identifizieren, mit denen sich Quick Wins erzielen lassen. Beispiel unsere Services im Bereich Energiemanagement: Anlagen im Betrieb zu optimieren zeigt Wirkung für die Umwelt und führt zu tieferen Betriebskosten. Aber auch mit unseren ökologischen Dienstleistungen im Bereich Gebäudereinigung, Abfalltrennung oder -Recyclingkreisläufe lässt sich viel erreichen. Rein aus CO₂-Optik betrachtet bildet aber der Bereich Energie den grössten Hebel: Wasserverbrauch reduzieren, Energieeffizienz steigern.

Und damit können auch KMU anfangen. Wer sich zudem Netto-Null-Klimaziele gesetzt hat, wird diese nur mit Massnahmen der Kreislaufwirtschaft erreichen. Nur darauf zu achten, dass man irgendwie CO₂ reduziert, reicht nicht aus. Nur wenn es uns gelingt, Stoffe in Kreisläufen zu halten, werden wir die Ziele erreichen. Bei ISS haben wir deshalb einen weiteren häufig in Büro-Gebäuden anfallenden Wertstoff identifiziert: Papier-Handtücher. Diese machen bis zu 20 Prozent des Abfalls aus. Dank dem «ISS PaperCircle» Service werden diese Papierhandtücher gesammelt und beim Hersteller wieder zu neuen Hygienepapieren verarbeitet. Insgesamt stellen wir fest, dass neben Grosskunden auch KMU zunehmend erkennen, dass unsere ökologischen FM-Services einen wichtigen Beitrag an ihre Umwelt- und Klimaziele leisten können.

Inwieweit kann nun ein kleiner Immobilienbesitzer die erhöhten und komplexeren Nachhaltigkeitsanforderungen alleine bewältigen – oder ist fast in jedem Fall externe Unterstützung notwendig?

Wir können hier seitens ISS neben einem ökologischen Betrieb in vielen Bereichen unterstützen, sei es in der Analyse des Gebäudeportfolios hinsichtlich energetischer Optimierungen, für Sanierungen oder bei der automatisierten Erfassung von Gebäudedaten.

Viele Immobilien-Nutzer erhalten bspw. ihre Stromrechnungen, wissen aber im Detail kaum Bescheid über ihren Verbrauch. Wenn man aber Verbrauchsdaten automatisiert erfasst und auswertet – das kann auch mit KI-Unterstützung erfolgen – dann lässt sich der Verbrauch besser steuern.

Auch aus anderen Gebäudedaten wie z.B. Energieeffizienz der Gebäudehülle, Alter und Zustand der Anlagen, verwendete Baumaterialien usw. lassen sich Verbesserungspotenziale ableiten. Hierbei können wir seitens ISS gute Unterstützung anbieten.

Marc Amstutz, Head Environmental Sustainability bei ISS Schweiz

Wenn wir unseren Blick auf zukünftige Trends richten: Wohin geht die Reise? Mehr zu Bauten mit langer Lebensdauer oder mehr zu solchen mit ausgewiesener Erneuerungsfähigkeit?

Beim bestehenden Gebäudepark geht es klar um dessen Optimierung. Bei Neubauten wird vermehrt auf kreislauffähige Baumaterialien geachtet. Das betrifft auch die Planung, dass auch spätere Umnutzungen der Gebäude oder der Umbau oder Rückbau einfacher möglich sind. Das Bewusstsein dafür ist in der Baubranche inzwischen stark verbreitet, und es bestehen viele Initiativen für Zirkularität bei Baumaterialien.

Auch die Digitalisierung spielt eine immer wichtigere Rolle: So lassen sich heute Gebäude als «Digitale Zwillinge» abbilden, damit man weiss, wo welche Materialien verbaut sind. Das betrifft aber vornehmlich Neubauten; für bestehende Gebäude ist dies mit erheblichen Investitionen verbunden, denn man muss die Daten erst erheben.

Was bedeutet diese Digitalisierung für das Facility-Management? Zu welchen Veränderungen wird es da kommen, etwa durch Automatisierungen?

Sensorik und neue Technologien liefern wichtige Informationen, um den Gebäudebetrieb effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Für alle FM-Jobprofile wird die Digitalisierung Unterstützung leisten. Direkte Substitutionen wird es kaum geben. Daran ändern auch Reinigungsroboter, auch innovative, nichts, sie sind oft nur für spezifische Flächen einfach einsetzbar.

Digitale Lösungen im FM gehen viel weiter. So werden zunehmend Building Information Modeling (BIM)-Lösungen genutzt oder das Internet of Things, um den Betrieb eines Gebäudes zu optimieren. In unserem Hauptsitz CUBE, der auch als «Living Lab» dient, machen wir gute Erfahrungen mit sensorgestützten Systemen, mit denen sich auch unsere Dienstleistungen besser steuern lassen. Dies umfasst z. B. die Echtzeitüberwachung von gebäudetechnischen Systemen, automatisierte Reinigungsmanagementlösungen, die energieeffiziente Raumoptimierung sowie digitale Werkzeuge für die Mitarbeiterkommunikation.

Unsere Abteilung für digitale Innovation und Transformation verfolgt die Trends sehr aufmerksam und hat bereits über zwanzig digitale Lösungen entwickelt, die wir im CUBE und bei Kunden einsetzen.

Zum Schluss: Jedes Gebäude hat Bewohnerinnen und Bewohner, bzw. es arbeiten Menschen darin. Welchen Beitrag können diese leisten zur Erreichung der Klimaziele?

Da geht es in erster Linie um einen bewussten Umgang mit Energie, Wasser oder Abfall. Schulungen können da helfen oder auch Sensibilisierungskampagnen zu Themen wie Recycling oder Kreislaufwirtschaft. Je einfacher man es den Nutzern macht, sich nachhaltiger zu verhalten, desto eher wird es von ihnen auch akzeptiert. Dies zeigen jedenfalls unsere Erfahrungen.

Interview

No items found.

Personenprofile

In diesem Artikel erwähnt

No items found.

Gleich weiterlesen

Das könnte Sie auch interessieren

Unsere letzten Ausgaben